Film: Die Judenschublade: Junge Juden in Deutschland

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„Ich bin Jüdin, und wegen mir soll es jeder wissen, aber wenn es jemand nicht weiß, ist es auch egal. Ich bin Jüdin, aber ich heiße Sharons Politik nicht gut, mein Vater trägt keinen schwarzen Kaftan und ich mache meine Freunde, die so alt sind wie ich, nicht für den Holocaust verantwortlich“ - so eine junge Stimme nachdrücklich und ein wenig rotzig aus dem Off, während die Kamera die Berliner Schriftstellerin Lena Gorelik im pulsierenden Großstadtgetümmel fokussiert.

Ein zielgenauer Einstieg in den Freiburger Dokumentarfilm „Die Judenschublade - Junge Juden in D“, der jetzt mit Politikprominenz in gleich zwei Sälen des Kinos Friedrichsbau Premiere feierte. Über ein Jahr lang zogen die Filmemacher Margarethe Mehring-Fuchs und Stephan Laur durch deutsche Städte und brachten junge Juden und Jüdinnen in so bunter Vielfalt und ungeschminkter Offenherzigkeit vor die Kamera, dass einem über sechzig Minuten lang Herz und Ohren aufgehen.

Denn ein spröder Doku- Streifen ist der Nachfolger von „Rap und Ramadan“ und „Fremde Liebe“ beileibe nicht geworden: Trotz enormen Informations-potenzials agiert der Film mit leichtfüßigem Drive und zeigt eine schillernde, quicklebendige Welt der Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Mit schnellen Schnitten und einem eigens mit den Protagonisten gemeinsam komponiertem Soundtrack (Ro Kuijpers) werden gläubige und nichtgläubige Jugendliche in ihrem Alltag porträtiert, mal mit den Freunden auf dem Sofa lümmelnd, mal im Familienkreis oder schwofend in der Disco.Ganz normal auf Party -aber mit Davidstern

Doch gemeinsam ist allen Akteuren eine intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Jüdisch-Sein. Was bedeuten Glaube, Tradition und Kultur im Alltag, wie setzt man sich mit Antisemitismus, Israel und Shoa auseinander und wie lebt es sich in der dritten Generation im Land des Holocaust? „Ich will ganz normal auf Party mit 'ner Davidstern-Kette gehen“, sagt der 17-jährige Dimitry aus Freiburg, den die Kamera weniger später zum JiuJitsu- Unterricht begleitet oder bei witziger Weihnachtsdiskussion mit seiner Freundin zeigt. Überhaupt verquicken sich hier immer wieder Fröhlichkeit und Ernst, knüpft der Film in sensibler Selbstverständlichkeit jüdischen Rap neben Einblicke in die Rabbinerausbildung in Potsdam oder den Holocaust-Gedenktag in der Berliner Oberschule an das Training beim jüdischen Sportclub „Makkabi“. Bei allem Facettenreichtum ist es dem offen-interessierten Blick der Filmemacher zu verdanken, dass „Die Judenschublade“ zum mitreißenden und auch verblüffenden Plädoyer für ein neues Miteinander wird.
Da neben Entimon Berlin, der Jugendstiftung Baden-Württemberg und der Landeszentrale für politische Bildung NRW auch die Stadt Freiburg mit ihrer Aktion „Für eine offene Stadt“ mit im Boot sitzt, hofft man nun auf breite, überregionale Resonanz von Schulen und Kinos

.Marion Klötzer